SFB/FK-427 Medien und kulturelle Kommunikation

Die Disziplinierung des Bildes: Imagination und politische Ordnung

Teilprojekt C9

Leitung
PD Dr. Friedrich Balke (Köln)

Projektgruppe
Dr. Leander Scholz, Denise Jacobs

Das philosophische Teilprojekt C9 fragt nach dem medialen Status des Bildes in der politischen Philosophie seit der Neuzeit. Ausgangspunkt ist die These, dass der öffentliche Raum mit der Umgründung des politischen Körpers in der Neuzeit zum Bildraum par excellence wird. Alle in diesem Raum Agierenden sind dem Imperativ der Sichtbarmachung unterworfen. Das Politische wird nicht mehr in einer Stiftungsautorität gegründet, sondern in der Projektion eines homogenen Bildraums. Damit sich eine Ansammlung von Individuen als kollektiver Agent verstehen kann, sind eine Reihe von ästhetischen Prozeduren erforderlich. Voraussetzung für diese immanente Ordnungsstiftung ist die Herauslösung des Bildes aus dem politisch-religiösen Handlungsgefüge. Um das Bild staatspolitischen Zwecken zuführen zu können, wird es erkenntnistheoretisch formiert und diszipliniert. Unter Disziplinierung ist dabei die mentale und ästhetische Einhegung des Bildes zu verstehen, die als Perspektivierung des Betrachters auf der Ausgrenzung anderer Bildpraktiken basiert. In diesem Sinn will das Teilprojekt anhand von zwei Untersuchungen die Transformation der symbolischen Formen analysieren, die an die Stelle des "zweiten Körpers des Königs" treten. Leitend ist hierbei die These, dass auch Gesellschaften mit ausdifferenzierter Politik bei der Instituierung und Regulierung kollektiver Ordnung auf imaginäre Adressierungen angewiesen sind. Das Politische muss der Gesellschaft eine quasi-Repräsentation verschaffen. Diese Inszenierung stellt zugleich die Instituierung ihrer Abgrenzbarkeit und damit ihrer Beobachtbarkeit dar.

Ausgangspunkt der ersten Untersuchung ist die von Hobbes entwickelte Bildtheorie als Versuch einer Disziplinierung des Bildes durch seine Reduktion auf den Status einer mentalen Größe. Das Teilprojekt will zeigen, dass Hobbes' Bildpolitik an Albertis Axiom anknüpft, das die Malerei darauf beschränkt, "gesehene Dinge" darzustellen. Hobbes' Bildbegriff verdankt sich einer Übernahme der Gliederung, die Alberti für das gemalte Bild vornimmt. Seine Phänomenologie des politischen Fanatismus stellt eine systematische Übertragung jenes "Aufruhrs" dar, den Alberti als das Ergebnis einer zusammenhangslosen Komposition brandmarkt. Dem Staat als souverän geordneter Mannigfaltigkeit droht die Gefahr von jenen zusammengestückelten Bildern, die Bewegungen ohne jedes Maß zeigen. Indem die Position des Souveräns dem Betrachter des Perspektivbildes entspricht, versteht Hobbes den öffentlichen Raum als Bildraum.

Da neben der Regierungsform auch gesellschaftspolitische Variablen nötig werden, wird das von Hobbes entfaltete Modell bereits in der Konstitutionsphase erweitert. Anhand von Leibniz und Spinoza will das Teilprojekt zeigen, dass sich das um die Größen von Territorium und Bevölkerung kreisende Denken auch auf den Status des Bildes auswirkt. Deutlich wird das an der Ausdifferenzierung der Repräsentationstechniken. Sie erlauben es, das Bild als Raum für die Inskription von anonymen Kräften zu nutzen, die sich nicht im Modus der istoria, sondern der descriptio manifestieren. Die Entstehung einer beschreibenden Bildkultur ist Voraussetzung für die Virtualisierung des politischen Gegenstandsbegriffs. Anhand von Leibniz und Spinoza soll nachgewiesen werden, dass sich von diesen Bilddiskursen aus die Konzeption einer eigenreaktiven Oberfläche erklären lässt, die für die Registrierung "kleinster Dinge" und "unmerklicher Perzeptionen" geeignet ist.

Während die Bilddiskurse der Neuzeit das Bild im Rahmen einer Erkenntnistheorie verhandeln, fokussiert der zweite Teil der Untersuchung die sich im Laufe des 18. Jahrhunderts etablierenden Ästhetikdiskurse. In ihnen wird der Status des Bildes unter kommunikationstheoretischen Aspekten thematisch. Auffällig ist dabei, dass das Bild von seinem Gegenstandsbezug gelöst und in zeitliche Rezeptionsphänomene transformiert wird. Anhand von Rousseau, Kant und Schopenhauer soll gezeigt werden, wie die Aufmerksamkeit für das Ästhetische auf den Umstand reagiert, dass politische Entscheidungen zunehmend der Temporalisierung unterliegen. Unter den Bedingungen der Loslösung des Politischen von objektiven Instanzen kann der benötigte sensus communis nur auf dem Weg kommunikativer Ereignisse erreicht werden. Die für demokratische Gesellschaften charakteristische Entkörperung der Macht führt nicht zu einer Reduktion auf ein System von Interessen, sondern bleibt auf die Erzeugung von kommunikativ erreichbaren Entitäten angewiesen. Dadurch wird die mittels der Projektion eines homogenen Bildraums instituierte Einheit des Politischen um Verfahren der Entzeitlichung ergänzt. Das Politische stellt sich als Effekt einer imaginär erzeugten Zeitstasis dar.




Zuletzt geändert am 08. Mai 2007 um 13:46 Uhr - Kontakt - Login zum Bearbeiten

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