SFB/FK-427 Medien und kulturelle Kommunikation

Maja Turovskaja

Vom 02. bis zum 20. November 2005 ist Prof. Dr. Maja Turovskaja zu Gast beim Kulturwissenschaftlichen Forschungskolleg. Maja Turovskaja, Film-, Theater- und Kulturhistorikerin, Drehbuchautorin im Bereich Dokumentarfilm, Film- und Theaterkritikerin, ist leitende Wissenschaftlerin am Institut für Filmwissenschaft (VNIIK) und am Institut für Kulturwissenschaft, Moskau. Im Rahmen ihres Aufenthalts finden folgende Veranstaltungen statt:

Vortrag und Filmvorführung: Jugend als Opfer: das Kino der totalitären Epoche

Das archetypische Motiv des jungen Opfers ist ein zentraler Motor totalitärer Ideologien. Seinen Ursprung hat dieses Motiv in dem mythischen Ritual der Opferbringung, das in zeitgenössischen Gesellschaften zu einer Legitimation von Herrschaft wird. Eine Ideologie, die den Rang einer Religion beansprucht, sucht nach ritueller Bestätigung ihrer sakralen Macht durch den Akt des Opfers.

Diese These wird von Maja Turovskaja am Beispiel zweier sowjetischer Filme der 1930er Jahre diskutiert. Nikolaj Ekks Film "Der Weg ins Leben", der internationale Anerkennung erlangte und Bert Brecht begeisterte, erzählt vom Opfer fordernden Kampf gegen die Verwahrlosung von Waisenkindern in Folge von Krieg und Revolution. Sergej Ejzenštejns 1937 vernichteter und Jahrzehnte später aus erhaltenen Einzelbildern rekonstruierter Film "Die Bežin-Wiese" deckt die Wurzeln des Opfer-Motivs im biblischen Mythos auf und entblößt somit den latent sakralen Charakter der stalinistischen Ideologie.

Filme: Putevka v žizn' (Der Weg ins Leben, SU 1931, Nikolaj Ekk) 93', OmU Bežin Lug (Die Bežin-Wiese, SU 1935-37, Sergej Ejzenštejn) in der Fotofilm-Rekonstruktion von Sergej Jutkevic/Naum Klejman, SU 1971, 31'

Mittwoch, 02.11.2005, 19.30 Uhr
Kölner Filmhaus, Maybachstraße 111, 50670 Köln

Workshop: "Der gewöhnliche Faschismus" als Attraktionsmontage

Michail Romms "Der gewöhnliche Faschismus"/ Obyknovennyj fašizm (1965) war in der nachstalinistischen Sowjetunion der erste Versuch einer audiovisuellen Reflexion über die totalitäre Vergangenheit. Montiert wurde der Film aus "fremdem" Material: es handelte sich um 2 Millionen Meter Film, die 1945 von der Roten Armee aus den Archiven des Reichspropagandaministeriums und Goebbels Privatbesitz beschlagnahmt wurden.

Die Drehbuchautorin Maja Turovskaja beleuchtet aus der Zeitzeugenperspektive die Produktions- und Rezeptionsumstände des Films; besondere Aufmerksamkeit wird dabei auf den Stellenwert des Dokumentarmaterials im Kontext einer Spielfilmdramaturgie, auf die Funktion von Fotografien im filmischen Medium sowie die Kommentierung der Bilder des NS durch die Stimme des Regisseurs gerichtet. Der Workshop thematisiert damit zugleich Fragen, die sich für jeden Versuch medialer Historiographie stellen.

Freitag, 04. November 2005, 10.15-11.45 Uhr und 14.15-15.45 Uhr, Filmsichtung: Donnerstag, 03. November 2005, 18.15 Uhr
Konferenzraum des Kollegs, Pohligstr. 1 (EG), 50969 Köln

Workshop: Andrej Tarkovskij: Film als Poesie - Poesie als Film

Das Werk eines der bekanntesten russischen Regisseure der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts stellt mit seinen poetischen Visionen eine Herausforderung an die Tradition des erzählenden Films dar. Andrej Tarkovskij knüpft nach der Stalinzeit an die von den russischen Avantgardisten in den 1920er Jahren entwickelte Konzeption des "poetischen Films" an, wie sie von Viktor Šklovskij mit der Unterscheidung von "Prosa" (Dominanz der Handlung) und "Poesie" (Dominanz formaler, filmischer Verfahren) entworfen wurde.

In dem Workshop werden die Perspektiven des "poetischen Films" mit Blick auf das Motivsystem, die filmischen Raum-Zeit-Strukturen sowie das Verhältnis von Theorie und Praxis im Oeuvre Andrej Tarkovskijs behandelt.

Montag, 14. November 2005, 14.15-15.45 Uhr
Ruhr-Universität Bochum, Institut für Medienwissenschaft, GABF (04-611)

Veranstaltungstyp: Gastvorträge - Workshops




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