SFB/FK-427 Medien und kulturelle Kommunikation
"Previously on ..." – Zur Ästhetik der Zeitlichkeit neuerer TV-Serien
Konferenz des Kulturwissenschaftlichen Forschungskollegs "Medien und kulturelle Kommunikation" (SFB/FK 247)
Teilprojekte A6, B7, C5 und Z
13. und 14. November 2008
Universität zu Köln, Albertus-Magnus-Platz
Hauptgebäude, Neuer Senatssaal
Seit der Frühzeit des Fernsehens gelten Serien als Elemente, die den Rezeptionsprozess zeitlich strukturieren. Serielle Formate rhythmisieren den Alltag des Zuschauers und versprechen Orientierung. Indem Erlebnisse und Biographien über einen langen Zeitraum hinweg verfolgt werden, verschränken sich die Lebenszeiten von Rezipienten und Serienfiguren. TV-Serien sind Bestandteile einer Programmplanung, die sich wiederum nach dem vermuteten Tagesablauf des Publikums, nach seinen Tätigkeiten zur Day- oder zur Primetime richtet. Sie erzeugen solche Strukturierungen und Durchdringungen nicht zuletzt durch einen spezifischen Umgang mit Zeitlichkeit als konstitutivem Moment ihrer Ästhetik. Wechselspiele von Stasis und Dynamik, Kontinuität und Unterbrechung, von Wiederholung und Variation, von Steigerung und Verschleiß sind zentrale Momente des Seriellen im Fernsehen.
Die Ästhetik dieser Zeitlichkeit ist durch Sukzessivität geprägt: Eine Serie zerteilt ihre Geschichte in einzelne Folgen, deren chronologische Ordnung nicht immer, doch häufig, für das Verständnis notwendig ist. Jede Folge führt die Erinnerung an ihre Vorgänger mit sich und lässt auf ihre Nachfolger vorausblicken: Serien generieren auf diese Weise Dauer und Momente von Simultanität. Durch weitverzweigte Figurenkonstellationen und Handlungsstränge entwerfen sie Welten, die Ungleichzeitiges aktualisieren und so Kontinuitäten wie ihre narrativen Konstruktionen erfahrbar machen. Oft verlangt die Vielschichtigkeit dieser Welten, vergangene Ereignisse neu ins Gedächtnis zu rufen: "Previously on…"
Solche Fragen nach der Ästhetik von Zeitlichkeit eignen sich also in besonderer Weise, um der Komplexität neuerer TV-Serien Rechnung zu tragen, die nicht nur bei den Zuschauern auf großes Interesse und Anerkennung stoßen. Auch der wissenschaftliche Blick auf TV-Serien ist längst nicht mehr ausschließlich von kulturkritischen Vorbehalten gelenkt. Die Serie kann als Experimentierfeld gelten, in dem neue ästhetische Figurationen jenseits von abgeschlossenen Einzelwerken ausgelotet werden. US-amerikanische Serien wie 24, Lost, Heroes, Dexter, Six Feet Under, The Sopranos, Deadwood, House M.D. oder nip/tuck sind durch kunstvolle Verhandlung serieller Zeitlichkeit gekennzeichnet: In Paratexten wie Vorspann, Cliffhanger oder Pilotfolge, die das zeitliche Kontinuum der Serie konstituieren, erproben sie neue Gestaltungsmittel. Durch intermediale Verflechtungen rufen sie Romane, Radio, Filme, Comics oder frühere TV-Serien in Erinnerung. Indem sie ihre eigene Zeitlichkeit vor Augen stellen oder im Voraus durchgeplante Handlungsbögen entfalten, organisieren sie komplexe Zeiten.
Doch kann angesichts der Experimentierfreudigkeit gegenwärtiger Serien überhaupt noch von televisuellen Formen gesprochen werden? Ist die Zeit der TV-Serie als klassisches Fernsehformat durch die Ausstrahlungsbedingungen des Cable/Satellite-TV und des Internet sowie ihre Verbreitung als DVD nicht zu Ende? Möglicherweise verdankt sich die Ästhetik der Zeitlichkeit aktueller Serien zu entscheidenden Teilen diesen neuen medialen Orten. Besonders anschaulich wird die Bündelung eines Handlungsverlaufs als Staffel etwa in der DVD-Box. Die zergliederte Zeit der Serie wie ihre Dauer, also das heterogene Ganze ihres Gedächtnisses, kann in dieser Form noch einmal anders verfügbar werden.
Die Konferenz fragt, wie sich gerade in einem Moment, in dem TV-Serien im engeren Sinn vielleicht ‚verschwinden’, das Verhältnis von Ästhetik, Serialität und Zeitlichkeit wandelt und rekonfiguriert wird. Sie widmet sich dieser Frage aus drei Perspektiven. Sektion 1: Komplexe Zeiten beleuchtet neue Formen der Organisation von Zeitlichkeit. Sektion 2: Temporale Formatierung nimmt die Mikroebene der Zeitlichkeit, die kleineren, paratextuellen Formen in den Blick. Sektion 3: Intermediales Gedächtnis widmet sich den Austauschprozessen mit anderen Medien und Serien.
Konzeption: Michael Cuntz, Marcus Krause, Arno Meteling, Isabell Otto, Gabriele Schabacher
Programm
Donnerstag, 13. November 2008
14:00
Ludwig Jäger: Begrüßung
Gabriele Schabacher: Einführung
Sektion 1: Komplexe Zeiten
Moderation: Marcus Krause
14:30
Oliver Fahle
Die Simpsons und der Fernseher
15:30
Kay Kirchmann
Neue Tendenzen in us-amerikanischen Serien
16:30
Kaffeepause
17:00
Isabell Otto
Countdown der Krankheit. House M.D. und die Diagnose in 45 Minuten
18:15
Irmela Schneider
Abendvortrag
Medien der Serienforschung
Moderation: Gabriele Schabacher
Freitag, 14. November 2008
Sektion 2: Temporale Formatierung
Moderation: Christina Bartz
10:00
Judith Lehmann
“Good Morning, Cicely” – Serien-Anfänge, -Expositionen, -Ursprungsmythen (Northern Exposure)
11:00
Kaffeepause
11:30
Tobias Haupts
Das Ende der Großen Erzählungen? Spacecenter Babylon 5 und die Science Fiction im Fernsehen
12:30
Tanja Weber/Christian Junklewitz
“To Be Continued ...” – Funktion und Gestaltungsmittel des Cliffhangers in aktuellen Fernsehserien
13:30
Mittagspause
Sektion 3: Intermediales Gedächtnis
Moderation: Markus Stauff
15:00
Harun Maye
Übersetzungsfabriken. Soap und Kolportage
16:00
Kaffeepause
16:30
Arno Meteling
Super Heroes. Differenz, Wiederholung und Temporalität in Comic und Fernsehen
17:30
Michael Cuntz
Harry’s Dirty Nightmare. Nächtliche Serientäterschaft als kontrolliertes Nichtnormalsein in Dexter
Veranstaltungstyp: Konferenzen
Zuletzt geändert am 15. September 2008 um 12:01 Uhr - Kontakt - Login zum Bearbeiten