SFB/FK-427 Medien und kulturelle Kommunikation

Prof. Dr. Donatella Di Cesare

Gastprofessur WS 2006/2007

Vom 18. Februar bis zum 11. März 2007 ist Prof. Dr. Donatella Di Cesare zu Gast beim Kulturwissenschaftlichen Forschungskolleg. Im Rahmen ihres Aufenthalts finden folgende Veranstaltungen statt:


Traumbild der Bedeutung? Wittgensteins Kritik

Workshop

Ist es möglich, von „Bedeutung“ zu reden, im Sinne der traditionellen Auffassung als „das Wesentliche am Wort“? Die Frage selbst: „Was ist die Bedeutung?“ ist für Wittgenstein – ausgehend von dem Big Typescript bis zu den Philosophischen Untersuchungen – schlecht gestellt, weil sie eine erklärende Antwort für etwas verlangt, das es nicht gibt, das nicht existiert. Das Streben nach der Bedeutung hat dazu getrieben, unter und hinter dem Äußeren, in dem inneren Bereich des Denkens ebenso wie des Verstehens, einen „ok-kulten“ Ort der Innerlichkeit anzunehmen. Um den Götzen der Bedeutung zu zerstören, gilt es zunächst, den götzendienerischen Ort zu dekonstruieren, aus dem er kommt. Die Dekonstruktion zielt zunächst auf die Bedeutung als metaphysisch hypostasierte innere Entität, als ontologisierte Entität, die quasi den ontologischen Gegenstand ersetzen soll. Witt-genstein will keine neue Theorie der Bedeutung, etwa der Bedeutung als Gebrauch vorschlagen; er will zeigen, dass der Irrtum gerade darin besteht, eine Theorie bewahren zu wollen. Es ist vielmehr eine phänomenologische Beschreibung einer Grenzsituation not-wendig, die mit dem Verstehen – oder besser dem Nicht-Verstehen – verbunden ist.

Mittwoch, 28.02.2007, 14:30-18:30
Konferenzraum des SFB/FK 427, Pohligstr. 1, EG, Köln-Zollstock


Einige Etappen der Übersetzung. Zwischen dem Eigenen und dem Fremden

Workshop

Die Geschichte der Übersetzung hat das Eigene und das Fremde als Hauptdarsteller. Die Erfahrung der Übersetzung ist die Erfahrung der Fremdheit des Anderen, das die Grenze des Eigenen kennzeichnet. Diese Spur des Fremden, die in der eigenen Sprache bleibt, war im Laufe der Jahrhunderte wiederholt dem Versuch ausgesetzt, sie auszulöschen, d.h. das Fremde zu verbannen. Die erste Etappe könnte man die Entfremdung des Fremden nennen. Das Ziel ist hierbei, die eigene Sprache, die Eigenheit der Sprache zu bewahren. Doch die eigene Sprache erscheint früher oder später als eine unter vielen. Der Entfremdung des Fremden folgt also die Aneignung des Fremden, das über Jahrhunderte einverleibt und in den Leib der eigenen Sprache assimiliert wird. Es ist dies eine andere Art, die Eigenheit der eigenen Muttersprache zu bewahren. Eine Ausnahme bilden die Frühromantiker und Humboldt, die die Übersetzung als eine Brücke zwischen verschiedenen Sprachen sehen.

Die neue Etappe, die schon Heidegger kennzeichnet, ist die der Aneignung des Eigenen. Ein anderes Wort für Übersetzen ist Heimischwerden. Man wird heimisch und kehrt nach Hause zurück, indem man durch das Fremde geht. Im Durchgang gibt es keine Verunreinigung. Mit Franz Rosenzweig und Walter Benjamin wird die Übersetzung zur Entfremdung des Eigenen. Das Übersetzen stellt sich als eine Bewegung zum Fremden ohne Rückkehr dar. Die Entfremdung des Eigenen kann jedoch auch nicht das letzte Ziel des Übersetzers sein. Seine „Aufgabe“ scheint ein noch höheres Endziel zu haben und nicht beim Eigenen stehen bleiben zu können. Andererseits bedeutet Entfremdung des Eigenen nicht Verneinung des Eigenen. Es bedeutet vielmehr, die eigene Sprache durch die Begegnung mit der fremden Sprache zu ändern. Denn die Begegnung in der Übersetzung ist wie ein Dialog zwischen verschiedenen Sprachen. Die Übersetzung ist dieser Dialog der Sprachen.

Montag, 05.03.2007, 14:00-18:00 Uhr
Konferenzraum des SFB/FK 427, Pohligstr. 1, EG, Köln-Zollstock


Verstehen. Eine philosophische Überlegung

Abendvortrag

Die Frage nach dem Verstehen gewinnt an philosophischer Relevanz am Anfang des 19. Jahrhunderts mit der Sprachreflexion Humboldts und Schleiermachers; zunächst von Heidegger weiterentwickelt, später von Gadamer, wird das Verstehen, auch durch Wittgensteins Kritik, zu einem Schlüsselbegriff in der heutigen Debatte verschiedener philosophischer Strömungen. Zunächst wird ein kurzer geschichtsphilosophischer Überblick skizziert – von Augustinus bis zu Hegel und Scheler –, bei dem versucht wird zu zeigen, wie das Verstehen sich einerseits in Entgegensetzung zum „Erklären“, andererseits in Bezug auf die „Einfühlung“ präzisiert. Denn auch das ichverstehen ist nicht unmittelbar, sondern durch das Verstehen des Anderen artikuliert. Dann werden in einem Doppelschritt zwei Aspekte fokussiert: 1. die These der hermeneutischen Priorität des Verstehens (auf Grund deren das Erkennen sich als eine sekundäre Modalität zeigt); 2. die diesbezüglich in der heutigen Philosophie diskutierten Fragen, die sich vor allem um die Unterscheidung von Verstehen, Auslegen und Übersetzen drehen. Versteht man, ohne zu interpretieren? Und welche Rolle spielt die Unterbrechung des Nicht-Verstehens bei der Kontinuität des Verstehens?

Montag, 05.03.2007, 19:30 Uhr
Konferenzraum des SFB/FK 427, Pohligstr. 1, EG, Köln-Zollstock


Donatella Di Cesare studierte Philosophie an der Universität La Sapienzia und promovierte 1998 in Tübingen bei Eugenio Coserio. Von 1996-1998 war sie Research Fellow der Alexander von Humboldt Stiftung in Heidelberg, wo sie letzte Schülerin Hans-Georg Gadamers war. Nach Abschluss ihres Habilitationsverfahrens im Jahr 1998 war sie zunächst associate professor an der Universität La Sapienza und ist dort seit 2001 Professorin für Sprachphilosophie sowie Professorin für jüdische Philosophie an der Hebrew University in Jerusalem am Collegio Rabbinico Italiano.

Ihre Forschungsschwerpunkte liegen auf den Gebieten philosophische Hermeneutik, Sprachphilosophie, jüdische sowie griechische Philosophie. In zahlreichen Veröffentlichungen und Vorträgen hat sie sich u.a. mit Wittgenstein, Heidegger, Derrida, Saussure, Humboldt, Kant, Platon und Aristoteles befasst. 1998 hat sie Wilhelm von Humboldts Werk Über die Verschiedenheit des menschlichen Sprachbaus und ihren Einfluß auf die Entwicklung des Menschengeschlechts herausgegeben und eingeleitet.


Veranstaltungstyp: Workshops - Gastprofessuren




Zuletzt geändert am 12. Juni 2007 um 12:03 Uhr - Kontakt - Login zum Bearbeiten

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