SFB/FK-427 Medien und kulturelle Kommunikation

Comic und Stadt - Der urbane Raum in Schrift, Bild und Sequenz

Konferenz unter Beteiligung des Kulturwissenschaftlichen Forschungskollegs "Medien und kulturelle Kommunikation" (SFB/FK 427) mit Unterstützung der Fritz Thyssen Stiftung

07. bis 09. Juni 2007
Sophiensæle, Sophienstraße 18, 10178 Berlin-Mitte

Das Medium Comic weist ein hybrides Format vor, das Schrift und Bild in einer Form von räumlicher Sequenzialität verbindet. Diese singuläre Koppelung traditionell ganz unterschiedlicher Codes lässt den Comic auf der Oberfläche einfach und verständlich erscheinen. Die Verbindung von Bild, Schrift und Sequenz steht deshalb sinnbildlich für eine instantane Evidenz. Möchte man allerdings präziser die Wechselwirkungen und Mechanismen dieser Kombination beschreiben, gerät man in die Nöte eines umfassenden Beschreibungsapparats. Die Lektüre von Comics irritiert deshalb bei genauerer Betrachtung sowohl den Leser linear geordneter Textreihen als auch den kontemplativen Betrachter von Gemälden oder Photographien. Im Gegensatz zum in vielerlei Hinsicht vergleichbaren Film ist der Comic auch noch ein reines Medium des Raums und der Gutenberg-Galaxis. Er wird gelesen, geblättert und der Blick wechselt kontinuierlich zwischen kursorischer Textlektüre und statarischer Bildbetrachtung.

Nicht nur die zahlreichen Comicverfilmungen verweisen aktuell auf den kulturellen Einfluss der Comics. Darüber hinaus verändern Comic-Ästhetiken und -Erzählweisen das globale Zeichenuniversum. Vor allem die Bild-Text-Zeichenflut, die Großstädte traditionell kennzeichnet (Graffiti, Werbung, Leuchtreklamen, Piktogramme, Desktop-Icons), gestaltet eine semiotische Architektur des Comics in der Stadt. Unzweifelhaft besteht eine strukturelle Kopplung zwischen dem Comic und der Stadt als modernem Lebensraum.

In historischer Perspektive lassen sich Comic und Stadt kaum voneinander trennen: Die Geschichte des Comics beginnt mit dem Comic Strip in amerikanischen Tageszeitungen um 1900 (Down Hogan’s Alley-Yellow Kid, The Katzenjammer Kids, Krazy Kat, Little Nemo in Slumberland). Mit der Etablierung des „Comic Book“-Formats als eigenständiger Publikation bevölkern neue Figuren die Großstädte. So thematisiert der Comic Ende der 1930er Jahre die Stadt in ihrer Funktion als Lebensraum und Ursprungsort moderner Mythen. Als Handlungsträger und als atmosphärischer und symbolischer Akteur rückt die Stadt in einer ganzen Reihe von Genres plötzlich ins Zentrum. Besonders dort, wo im Comic symbolische Manifestationen der urbanen Moderne verarbeitet und erzählt werden, lässt sich eine Reflexivität des Mediums auf seine Geschichte, seine Medialität und auf seine kulturelle Umwelt und Herkunft konstatieren.

Inzwischen hat jede moderne Weltmetropole ihren Eingang in den Comic gefunden: Berlin, Paris, London, Tokio und New York. Daneben haben viele fiktionale Großstädte aus den Comics sich im globalen kulturellen Gedächtnis verankert: Supermans Metropolis, Batmans Gotham City, das Marvel-New York von Spider-Man, den Avengers und den Fantastic Four, Tokio und das postnukleare Neo-Tokio der Manga oder Duckburg-Entenhausen von Mickey Mouse und Donald Duck. Immer wieder werden im Comic städtisch geprägte Imaginationsräume aufgegriffen, mitunter ausgeweitet, in die Geschichte oder in die Zukunft projiziert: exemplarisch im amerikanischen (Mr. X, Terminal City, Electropolis, From Hell, Sin City, Transmetropolitan) wie im franko-belgischen Comic (Moebius, Bilal, Druillet, Mézières, Moebius, Schuiten/Peeters, Mathieu, Franquin, Tillieux, Tardi).

Das Thema „Comic und Stadt“ bietet in seinem Rekurs auf den Ursprung des Comics nicht nur die Möglichkeit einer historiographischen und diskursanalytischen Perspektive auf den Comic als modernes und spezifisch urbanes Medium der Massengesellschaft, sondern liefert auch einen chancenreichen Einstieg in die ästhetischen und narrativen Möglichkeiten des aktuellen Comics am Format des Raums. Nicht zuletzt bietet das Thema eine Vergleichsmöglichkeit für die drei großen Comic-Kulturen Europa, USA und Japan, die auf jeweils ganz unterschiedliche Weise das Thema „Stadt“ behandeln. Aus der Perspektive der Urbanität, die in allen narrativen und bildlichen Künsten der Moderne eine herausragende Rolle spielt, kann daher nicht zuletzt auch eine künstlerische, kulturelle und mediale Standortbestimmung des Comics innerhalb der Koordinaten von Literatur, Malerei und Film erfolgen.

Konzeption: PD Dr. Jörn Ahrens, Dr. Arno Meteling


Ausführliche Informationen zum Tagungsprogramm finden unter www.comicundstadt.de


Veranstaltungstyp: Konferenzen




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