SFB/FK-427 Medien und kulturelle Kommunikation

Ästhetische Regime um 1800

Konferenz des Kulturwissenschaftlichen Forschungskollegs "Medien und kulturelle Kommunikation" (SFB/FK 247), Teilprojekte C9 und B7

24. und 25. Mai 2007
Universitätsclub Bonn e.V., Konviktstr. 9, 53113 Bonn

Ästhetik wird häufig als eine von allem Politischen gereinigte Reflexionsform der Kunst verstanden oder aber als ein bürgerliches Konzept entlarvt und auf ihre ideologischen Funktionen reduziert. Im Unterschied zu solchen Ansätzen, die Ästhetik entweder als ein autonomes System oder als eine funktionale Ableitung des Politischen bestimmen, soll hier die Frage nach der konstitutiven Leistung der Ästhetik für die Formierung des Politischen gestellt werden. Man kann mit Jacques Rancière die Herausbildung eines Ästhetischen Regimes um 1800 beobachten, das sich nicht mehr durch Begriffe wie „Handlung“, „Mimesis“ oder „Repräsentation“ bestimmen lässt, sondern als eine Kommunikation der Gleichheit und Kontingenz aufgefasst werden kann. Die Ästhetik des Politischen und das Politische der Ästhetik lassen sich dabei nicht auf Kunsttheorien reduzieren, deren Programmatik einer ästhetischen Erziehung – wie bei Friedrich Schiller – der Kunst einen provisorischen Ort im Schein des ästhetischen Staates zuweist. Das Ästhetische bezeichnet vielmehr ein historisches Regime der Wahrnehmung und des Denkens, das sich am Gegenstand der Kunstbetrachtung herausbildet und auf die Temporalisierung der sozialen Verhältnisse um 1800 reagiert. Unter diesen Bedingungen geben die Ästhetikdiskurse jeden Objektbezug auf und entwickeln eine Theorie der Medialität, die im Ereignishaften operiert.

Die Differenz zwischen den Dingen, die zur Kunst, und denen, die zum Alltagsleben gehören, verwischt sich. Das Kleine, das Gewöhnliche, das Beliebige erfährt jetzt ästhetische Aufmerksamkeit und kommt zugleich als Ausgangspunkt der Bildung politischer Einstellungen, Handlungen und Unternehmungen in Betracht. Geschichte ist nicht länger exklusiv dasjenige, was einer herausgehobenen Persönlichkeit zustößt – um 1800 beginnen all jene Versuche, die Mengen politisch Namenloser in Kollektivsingulare zu verwandeln und ihnen die vormals Fürsten und Königen vorbehaltene Würde zu übertragen. Nachdem die drei Idole der alten Geschichte gestürzt sind (Politik, Chronologie, großes Individuum), setzt eine neue Geschichte und Geschichtsschreibung an der kontingenten Materie des Sozialen, dem Ereignishaften selbst an. Das zentrale Problem ist also nicht mehr die Frage nach einem allgemeinen Schema der Geschichte oder der Gesetzgebung, sondern wo und wie die Regeln der sozialen Verkettung von sich aus sichtbar werden. An die Stelle von Techniken der Herstellung treten Techniken der Beobachtung und Aufmerksamkeitslenkung, mit deren Einübung das sich um 1800 etablierende Feld des Ästhetischen konstitutiv verbunden ist.

Konzeption: Friedrich Balke, Leander Scholz, Harun Maye


Programm

Donnerstag, 24. Mai 2007

14:00
Begrüßung: Irmela Schneider (Köln)

Sektion I: Phänopolitik und Mikrophysik: Regierungskünste

14:15
Friedrich Balke (Köln): Einleitung

14:30
Christoph Menke (Potsdam):
Noch nicht. Die Dialektik der Ästhetik

15:30
Eva Geulen (Bonn):
Schillernde Eide – Bindende Flüche. Die Verschwörung des Verrina zu Genua

17:00
Ethel Matala de Mazza (München):
Biopolitik in Bildern. Merciers "Tableau de Paris"

18:00
Joseph Vogl (Berlin):
Wallensteins Lage

Freitag, 25. Mai 2007

Sektion II: Der leere Platz des Königs: Geschichtsschreibung

09:15
Harun Maye (Köln): Einleitung

09:30
Ralph Ubl (Karlsruhe):
Ungründe des Ästhetischen. Paris 1799/1830

11:00
Anne von der Heiden (Weimar):
“... die unsterblichen Augen des Menschen nach innen zu öffnen”. Blake und Füssli

12:00
Brigitte Weingart (Bonn):
Macht und Ohnmacht der Dinge: Clemens Brentanos "Schachtel mit der Friedenspuppe"

Sektion III: Die Instituierung des Beobachters: Selbstreferenz

14:15
Leander Scholz (Köln): Einleitung

14:30
Jürgen Fohrmann (Bonn):
Metaleptische Suche und pragmatisches Erzählen. Der Fall des Exemplums im Lichte der Ästhetik

16:00
Lars Friedrich (Weimar):
Der Preis der Spekulation. Zu Hegels Diderot-Lektüre

17:00
Iris Därmann (Lüneburg):
Das Kunstwerk der Geselligkeit. Schleiermachers Theorie des geselligen Betragens


Veranstaltungstyp: Konferenzen




Zuletzt geändert am 11. Juni 2007 um 11:08 Uhr - Kontakt - Login zum Bearbeiten

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