SFB/FK-427 Medien und kulturelle Kommunikation
Die Listen der Evidenz
Herausgegeben von Michael Cuntz, Barbara Nitsche, Isabell Otto und Marc Spaniol
Mediologie
Schriftenreihe des Kulturwissenschaftlichen Forschungskollegs
"Medien und kulturelle Kommunikation", hg. v. Ludwig Jäger
Band XV
Was Evidenz für sich beansprucht, bleibt unhinterfragt, ist beweiskräftig, steht klar vor Augen, leuchtet unmittelbar ein. Evidenz spricht für sich selbst oder bürgt für anderes. Sprachliche wie bildliche Ordnungen stützen sich auf interne Evidenzen, die selbst nicht zur Disposition stehen und nicht in den Fokus der Aufmerksamkeit rücken. Gleichzeitig verweisen diese Ordnungen auf Evidenzen und Beweise, die außerhalb und unabhängig von ihnen gegeben zu sein scheinen. Aber in welchem Verhältnis stehen das Offenkundige und das Selbstverständliche, das Grundlegende und das Augenfällige, Autonomie und Verweis zueinander? Wie wird Evidenz hergestellt oder zugesprochen? Sind die Verfahren der Produktion und Legitimation ebenso offensichtlich oder basal wie ihr Resultat? Die List hingegen scheint in vielerlei Hinsicht das Gegenteil der Evidenz zu sein: Sie wirkt im Verborgenen und auf Umwegen, reagiert spontan und situativ auf das Bestehende, Beständige und Allgemeingültige. Dennoch bedarf es immer ihrer Mitwirkung und Vermittlung, wenn Evidenzen hergestellt und stabilisiert werden, denn diese sind nicht so festgefügt und zeitlos, wie es den Anschein hat. Ihre Selbstverständlichkeit wird auch von innen bedroht: Die Liste der Evidenzen birgt Widersprüche. Evidenzen können sich nur behaupten, wenn sie sich mit der List verbünden. Mit der Frage nach den komplexen Wechselwirkungen zwischen Listen und Evidenzen wird aber nicht auf eine simple Zurückweisung jeglicher Evidenz als trügerisches Konstrukt abgezielt. Jeder Versuch, über die Evidenz hinaus zu gelangen oder zu einem Zustand diesseits der Evidenzen vorzudringen, entzieht sich selbst den Boden. Die größte List der Evidenz besteht darin, unentbehrlich zu sein.
Beitragende: Jörn Ahrens, Friedrich Balke, Joanna Barck, Michael Cuntz, Jürgen Fohrmann, Tal Golan, Ludwig Jäger, Felix Keller, Sirka Laass, Helmut Lethen, Petra Löffler, Bill Nichols, Barbara Nitsche, Isabell Otto, Gabriele Schabacher, Irmela Schneider, Leander Scholz, Marc Spaniol/Ralf Klamma/Matthias Jarke, Barbara Ventarola
Zuletzt geändert am 24. Juli 2008 um 11:55 Uhr - Kontakt - Login zum Bearbeiten