SFB/FK-427 Medien und kulturelle Kommunikation

Unmengen - Szenen verteilter Handlungsmacht

Konferenz des Kulturwissenschaftlichen Forschungskollegs "Medien und kulturelle Kommunikation" (SFB/FK 247) in Zusammenarbeit mit dem Universitätsclub Bonn e.V.

15. und 16. Dezember 2005

Universitätsclub Bonn, Konviktstr. 9, 53113 Bonn

Konzept

Klassische Konzepte von Handlungsmacht basieren auf der Idee eines intentionalen Subjektes, das sich in Abgrenzung von passiven Objekten konstituiert. Handeln wird prämiert, Objekte aller Art - unbelebte wie belebte, Werkzeuge oder Zeichenträger - werden als Mittel zu einem Zweck aufgefasst. Mit der Kontrollgesellschaft und ihren Imperativen von Initiative, Eigenverantwortung und Kreativität, hat dieses Muster jedoch einen Kulminationspunkt erreicht, an dem gleichzeitig seine Selbstwidersprüche offenkundig werden. Die Prämierung von Machbarkeit und Erfolg bringt als ihre notwendige Kehrseite den Opferdiskurs hervor, in dem das Begehren nach der Reinheit der Passivität einen Ausdruck findet. Der Preis für die ethische Überlegenheit einer so verstandenen Passivität besteht aber nicht zuletzt in der Negation von Interventionsmöglichkeiten.

Ein erster Schritt der Infragestellung dieser Verteilung konzentriert sich darauf, Objekten und anderen Entitäten ebenfalls die Fähigkeit zur Aktivität zuzugestehen. Auf diese Weise können auch Medien zu Trägern von agency werden. Über diese Emanzipation der Objekte hinaus eröffnet sich als zweiter Schritt eine Perspektive auf komplexere Verhältnisse der Verteilung von Handlungsmacht, die sich nicht in die Dichotomie von aktiv/passiv zwingen lassen und sich nicht an Zuschreibungen wie Subjekt/Objekt, Ich/Welt, Mensch/Tier, Mensch/Ding, Intention/Werkzeug, belebt/unbelebt, Täter/Opfer, Unterdrücker/Unterdrückter, Zentrum/Peripherie halten. Auf die Unmöglichkeit, diese Positionen über situative, fluktuierende Momentaufnahmen hinaus eindeutig zu beobachten, zu bestimmten, sie zu beschreiben und demnach über sie zu verfügen zu können, verweist der Begriff der Unmengen. Er dient als konzeptueller Ausgangspunkt dieser Konferenz, indem er auf die Unzählbarkeit der Beteiligten und ihrer wechselnden Konstellationen, Vernetzungen und Gemeinschaften verweist.

Unsere Aufmerksamkeit gilt zunächst der aktiv-passiven Widerständigkeit von Medien und Mittlerfiguren: Der Ort dieser Mischwesen ist nicht der sekundäre eines bloßen ‚Zwischen', das zugunsten von Anfang und Ende einer Handlung, Intention und Finalität ausgeklammert oder vernachlässigt werden kann. Medien und Mittler gehen nicht in einer vermeintlichen reinen Instrumentenrolle oder Verweisfunktion auf, vielmehr kommt ihnen als ereignishaften Dingen der Welt Handlungsmacht zu. Die Hinfälligkeit der Identifizierung des Subjekts mit Aktivität und Macht zeigt sich symptomatisch in der Figur des Wiedergängers. In der Frage nach den Modalitäten der Gewaltenteilung soll schließlich der Begriff der Handlungs-Macht selbst und die in diesem Kompositum angelegte Gleichsetzung der Fähigkeit zum Handeln und der Ausübung von Macht problematisiert werden.

Programm

Donnerstag, 15. Dezember 2005

09.30
Begrüßung: Ludwig Jäger (Aachen/Köln)
Einleitung:Ilka Becker (Köln)

Sektion 1: Mischwesen

10.00
Kerstin Schmitt (Berlin):
Kill Kolkan. Vom Umgang mit dem Monströsen in der Literatur des Mittelalters

11.00 K a f f e e p a u s e

11.30
Jutta Weber (Wien):
Autonome Insekten, infantile Humanoide und Klicker-Training für AIBOS. Zu Formen der 'Handlungsmacht' in neuerer Robotik

12.30
Erika Linz (Bonn):
"Sprecher-Hörer". Über das "Inter" der Interaktion

13.30 M i t t a g s p a u s e

Sektion 2: Wiedergänger

15.00
Karl-Heinz Kohl (Mainz):
Neotraditionalistische Bewegungen

16.00
Michael Cuntz (Köln):
Mixed zone - wie man den Toten begegnet. Echenoz: Au piano / Campillo: Les revenants

17.00 K a f f e e p a u s e

17.30
Astrid Kusser (Köln):
Körper in Schieflage. Geschichten des Cake Walks in Europa

18.30 A b e n d e s s e n (Uniclub)

Freitag, 16. Dezember 2005

Sektion 3: Gewaltenteilung

10.00
Andrew Haas (New York):
Metaphysik und Gewalt: On the Question of Infinity in Lévinas and Derrida

11.00
Leander Scholz (Köln):
Die Ökologie der Sonne: Georges Bataille

12.00 M i t t g s p a u s e

14.00
Robert Pfaller (Wien):
"SEI GANZ DU SELBST! UND TUE NUR DAS, WAS DU SELBST GANZ RICHTIG FINDEST!" Die narzißtischen Imperative aktueller Handlungs-Ohnmacht

15.00
Vassilis Tsianos/ Serhat Karakayali (Hamburg):
Postliberale Souveränität und das Unwahrnehmbar-Werden der Migration

16.00 K a f f e e p a u s e

Closing Remarks

16.30
Thomas Elsaesser (Amsterdam):
Contingency and Agency in Contemporary Media Theory

17.30 Abschlussdisskussion

Abendessen (Restaurant)


Veranstaltungstyp: Konferenzen




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