SFB/FK-427 Medien und kulturelle Kommunikation

Just not in Time. Inframedialität und die Genealogie des Unerwarteten

Konferenz des Kulturwissenschaftlichen Forschungskollegs "Medien und kulturelle Kommunikation" (SFB/FK 247), Teilprojekte A6, A8, B6

28. bis 30. Juni 2007
Kölnischer Kunstverein, Hahnenstr. 6, 50667 Köln

Die Tagung beschäftigt sich mit dem Sichtbarwerden von Zeit als Verschränkung heterogener Zeitdimensionen in einer Gegenwart, deren irreduzible Flüchtigkeit dem doppelten Entzug von Werden und Vergehen unterliegt. Das Konzept der Inframedialität, das sich ausgehend von Marcel Duchamps Begriff des Inframince als Genealogie der hauchdünnen oder infinitesimalen Unterschiede, Brüche, Verschiebungen und Transformationen definiert, untersucht mediale Konfigurationen, in denen ein intensives Werden durch eine latente Überdeterminiertheit von Sinnintentionen „zur Lesbarkeit kommt“. Analysiert werden folglich epistemologische, künstlerische und literarische Konzepte oder „Experimentalsysteme“, die sich dem Unverfügbaren und Unentscheidbaren zeitlicher Differenz als Bedingung von Sichtbarkeit öffnen und in denen sich ein neues, lineare Ursprungsgeschichten verabschiedendes Konzept der Spur artikuliert. Die Intention liegt damit auf einem zur Unzeit eintretenden Unerwarteten, in dem heterogene Kräfte, Materialien, Techniken oder Konzepte aufeinander treffen und gemäß der virtuellen Genealogie ihrer inneren „différance“ produktiv werden. Entgegen einer Logik, die auf kategorialen Oppositionen wie Ursache und Wirkung, Identität und Differenz oder Gesetz und Zufall basiert, beschäftigt sich das Konzept der Inframedialität mit einer Zeitlichkeit intensiver Ausdehnungen und Kontraktionen (Spiralen, Knoten, Strudel, Magmen, ...). Diese Zeitlichkeit ist im Sinne jener „durée“ zu verstehen, die Henri Bergson zu Beginn des 20. Jahrhunderts dem kinematographischen, punktuelle Momente aneinanderreihenden Konzept der Chronologie entgegensetzte und in deren Innerem Gilles Deleuze eine Art nicht-repräsentierbarer „Sichtbarkeitsmaschinen“ verortet. Insofern eine Genealogie des Sichtbarwerdens der inframedialen Differenzen zwischen Unvorhersehbarkeit und Nachträglichkeit wesentlich an das Moment von Zeitlichkeit als Werden gekoppelt bleibt, soll mit dem Konzept der Inframedialität eine Grenze der Darstellbarkeit und der Sichtbarkeit markiert werden. Gerade die Rede von „Globalisierung“ und „Informationszeitalter“ suggeriert mit ökonomischen Standards wie just-in-time, ready-made und all-inclusive das Phantasma einer grenzenlosen Sichtbarkeit und Verfügbarkeit, welches für das Unerwartete impliziter Widerstandsmomente und Unterschiede keine Nischen mehr lässt. Dem entgegen sollen die möglichen Intensitäten und Interventionen eines just-not-in-time als Frage nach nicht-linearen Modellen und Verfahren der Implikation, Rekursion oder Immersion diskutiert werden, die der Irreduzibilität des Werdens im Sinne eines historischen, philosophischen oder ästhetischen Arbeitens an und mit inframedialen Überdeterminationen Rechnung tragen.

Planung: Ilka Becker, Michael Cuntz, Sarah Kolb, Astrid Kusser, Michael Wetzel


Programm

Donnerstag, 28. Juni 2007

18:30
Herbert Molderings (Bochum):
Ästhetik des Possibilismus. Zu Marcel Duchamps "3 Kunststopf-Normalmaße"

Freitag, 29. Juni 2007

9:00
Irmela Schneider (Köln): Begrüßung

Sektion 1: Duchamp inframince
Moderation: Wolfgang Beilenhoff (Bochum/Köln)

9:30
Michael Wetzel (Bonn):
Die Möglichkeit der Möglichkeit. Eine inframediale Potenzierung des ästhetischen Zeitspielraums

10:30
Kaffeepause

11:00
Jean-Michel Rabaté (Philadelphia):
Marcel Duchamp's "Waverthin Papertrail". The Trace of a Trace

12:00
Dieter Daniels (Linz/Leipzig):
Duchamps "Großes Glas" – eine Antizipation der Kybernetik?

13:00
Mittagspause

Sektion 2: Intensive Zeit: Bergson und Deleuze
Moderation: Friedrich Balke (Köln)

14:30
Sarah Kolb (Köln/Wien):
Dem Werden auf die Pelle rücken. Bildtopologie bei Bergson und Duchamp

15:30
Kaffeepause

16:00
Mirjam Schaub (Berlin):
Das Prinzip der Ununterscheidbarkeit in Deleuzes "Zeit-Bild"

17:00
Heike Klippel (Braunschweig):
Out of the Past - oder die Verleugnung der Zeit

Samstag, 30. Juni 2007

Sektion 3: Zeitpolitiken in der zeitgenössischen Kunst und Literatur
Moderation: Lilian Haberer

11:00
Ursula Frohne (Köln):
Genealogien fiktionaler ZeitRäume: Zum Motiv der Vergegenwärtigung in Pierre Huyghes Videoinstallationen

12:00
Michael Cuntz (Köln):
Das Neue im Immergleichen? Roberto Bolaños Ungleichzeitigkeiten

13:00
Mittagspause

14:30
Sabeth Buchmann (Wien):
Medium Zeit. Zu Arbeiten von Hélio Oiticica

15:30
Ilka Becker (Köln):
"Let's do the time warp again!" Re-enactments des Films bei T. J. Wilcox

Veranstaltungstyp: Konferenzen




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