SFB/FK-427 Medien und kulturelle Kommunikation

Das Autorbild in Drucken des 15. und 16. Jahrhunderts

Projekt A2.2

‚Tod‘, ‚Seele‘ und ‚Jenseits‘ in Bilderzyklen und Texten der Frühen Neuzeit

Bereits in den vorangegangenen Förderphasen des Sonderforschungsbereichs (1999-2004) erarbeiteten wir Text-/Bildrelationen am konkreten Beispiel des Autorbildes. Einerseits orientierten wir uns an der Konzeption der sogenannten „neuen Mediävistik“ mit ihrem besonderen Augenmerk auf die Medialität von Überlieferungen, andererseits versuchten wir Fragestellungen der neueren Literaturwissenschaft, etwa in Anlehnung an Foucault, zur Beziehung von Autor und Werk für die mittelalterliche Literatur fortzuführen. Neben den Teilbereichen zu den volkssprachigen romanischen Handschriften (Ursula Peters, Barbara Nitsche) und zur italienischen Buchkultur der Rennaissane bzw. zum autonomen Autorbild (Georg Satzinger, Wolf-Dietrich Löhr) untersuchte Hans-Joachim Ziegeler mit Stephanie Altrock und Gerald Kapfhammer das Autorbild in der Frühen Neuzeit, besonders im medialen Wandel von der Handschrift zum Buchdruck.

Die spezifischen Bedingungen von Autorschaft und ihrer Funktionsgeschichte, die sich an der Verwobenheit von Person – Name – Werk und den Strategien ihrer Verknüpfung zur Größe „Autor“ zu erkennen geben, haben Hans-Joachim Ziegeler und Stephanie Altrock am Beispiel von Heinrich Seuse erhellen können. Es zeigte sich, dass die Biographie Seuses jenseits der schriftlichen Überlieferung kaum greifbar ist, innerhalb dieser aber zunehmend als Authentisierungsstrategie dient und ein Autor-oeuvre erst ermöglicht: So wird zwar die sogenannte „Vita“ des Dominikaners Heinrich Seuse als eine der frühesten Autobiografien gewertet. Der Text und seine Bilder, die im Sinne einer „doppelten Autorschaft“ beide jeweils Seuse zugeschrieben werden, lassen in der diachronen Betrachtungsweise jedoch eine Entwicklung hin zu einer Autor-Authentizität erkennen. Während die frühen handschriftlichen Überlieferungen ein dem Text beigeordnetes, jedoch relativ eigenständiges Bildrepertoire aufweisen, das den „Autor“ Seuse unter dem Titel „diener der ewigen wisheit“ verrätselt und fast vergeistigt, zeigen die späteren Drucke eine Vereindeutigung des Dargestellten in Bezug auf den Autor und auch eine Konkretisierung des Bildrepertoires, das dem Fließtext nun inseriert und somit unterstützend untergeordnet ist.

Eine Besonderheit des Drucks, nämlich die Autorisierung eines Werkes durch einen Herausgeber, zeigt Gerald Kapfhammer in einer Studie über Johannes Pauli als Herausgeber der Predigten von Geiler von Kaysersberg. Geiler selbst hatte nur wenige seiner Schriften veröffentlicht. Nach seinem Tod entstand ein Streit über die authentische Überlieferung seiner Werke, da gleich mehrere Herausgeber diesen Anspruch für sich behaupteten. Johannes Pauli gelingt es in diesem Zusammenhang, seine Tätigkeit sowohl auf der Ebene des Textes als auch auf der Ebene des Bildes absichtsvoll zu legetimieren. So stellt Pauli etwa im ,Evangelibuoch‘ (1515) die von ihm verschriftlichten Predigten Geilers durch die Beschreibung dessen Habitus und der Umstände des Predigens in einen Kontext von Mündlichkeit, der den Prediger zugleich vergegenwärtigt und den Tradenten als Ohrenzeugen ausweist.

Die brösamlin doctor Keiserspergs, hg. v. Johannnes Pauli, Straßburg (Johannes Grüninger), 1517, 1. Teil, Bl. Vv - © Universitäts- und Stadtbibliothek Köln, SD12/1980

Ein besonders programmatischer Holzschnitt findet sich in den ‚Brösamlin‘, einer weiteren Sammlung mit Predigten Geilers (1518): Es zeigt Pauli unter dessem Tisch kniend, wobei er kleine Zettelchen mit Geilerschem Gedankengut, die wie Brosamen vom Tisch fallen, aufsammelt. Dieses Bild suggeriert Nähe und Vertrautheit des Herausgebers zum geistigen Urheber und weist ihn zudem als aufmerksamen Sachwalter des Geilerschen Erbe aus.

Die brösamlin doctor Keiserspergs, hg. v. Johannnes Pauli, Straßburg (Johannes Grüninger), 1517, 1. Teil, Bl. Vv

Der Hand des gelehrten Autors kommt bei der Ausbildung und Realisierung von Autorkonzeptionen in der Frühen Neuzeit eine zentrale Bedeutung zu. Über die Darstellung der Hand als ausführendes Organ von Gelehrten-Tätigkeiten wie Schreiben, Lehren und Disputieren kann der gelehrte Autor nicht nur als solcher gekennzeichnet und identifiziert werden; durch gezielte Akzentuierungen in der Darstellung vermag die Hand ein bestimmtes Verständnis von Autorisation und Authentizität zu evozieren. Nach dem „Prinzip ikonographischer Ökonomie“ steht ihr dabei ein begrenztes Repertoire gestischer Elemente wie Verweis-, Rede- oder Argumentationsgesten zur Verfügung, mittels derer über die Varianz in der Darstellungsweise ein weites Bedeutungsspektrum eröffnet und abgerufen wird. Die Unterschiede der Inszenierung ergeben sich dabei aus der Kombination mit traditionellen Mustern der Autordarstellung, die übernommen oder gebrochen und durch die gezielte Funktionalisierung der Autorhand neu akzentuiert werden.

Mit der Frage inwiefern die funktionalisierte Autorhand die traditionelle Darstellungsweise unterstützt oder variiert und welche Auswirkungen das auch für die Text-„Auctoritas“ hat, beschäftigt sich der vorliegende Aufsatz. Gegenstand der Analyse sind dabei im deutschsprachigen Gebiet entstandene Autorbilder aus Inkunabeln und Drucken des frühen 16. Jahrhunderts. So begegnen unter anderem Autoren wie Konrad Celtis, Johannes Geiler von Kaysersberg, Hieronymus Brunschwig oder Johannes Stöffler. Der Schwerpunkt bei der Bildauswahl liegt zum einen auf magister-cum-discipulis-Szenen, anhand derer besonders die Beziehungen mündlicher und schriftgelehrter „Auctoritas“ sowie die von Text- und Autor-„Auctoritas“ gezeigt werden; zum anderen finden Dedikationszenen unter dem Aspekt von Herrscher- und Autor-„Auctoritas“ Berücksichtigung sowie der inspirierte bzw. argumentierende Autor der Predigtbilder.

Die detaillierte Beschreibung und Ergründung der Bilder geht also immer auch der Frage nach der Autorisation und Authentizität der Wissensquelle -Schrift, Lehre, Vortrag- bzw. deren Autor nach.

Johannes Stöffler, Ephemerides 1532-1551, Tübingen (Ulrich Morhart) 1531, Titelblatt - © Würtembergische Landesbibliothek, Stuttgart, HBF1804

Der Autor hält in seiner linken Hand eine Schriftrolle, mit der rechten Hand führt er eine Zeigegeste aus: Unterstützt durch Signale der Gelehrsamkeit, verdeutlicht u. a. durch die Schriftrolle, deutet der Autor – den Leser werbend – auf seinen Text.

Johannes Stöffler, In Procli Diadochi [...], Tübingen (Ulrich Morhart), 1531, Werkende - © Würtembergische Landesbibliothek, Stuttgart, HBF1043

In diesem Werk befindet sich ein Autorbild Stöfflers am Ende seines Werkes. Dafür wurde der Holzschitt, wie er auf dem Titelbaltt zu sehen ist, verändert. Nun ruht die Hand des Autors auf einem Buch und deutet damit an, dass das Werk abgeschlossen ist. Im Bild ist zudem der Name und das Lebensalter Stöfflers zu lesen. Am Ende des Werks wird damit der vorausgegangene Text nochmals an die Person des Autors gebunden und wiederum durch Signale der Gelehrsamkeit (Buch und Schriftrolle, sowie Gelehrtenkleidung) autorisiert.

Literatur

  • Stephanie Altrock/Hans-Joachim Ziegeler: Vom diener der ewigen wisheit zum Autor Heinrich Seuse. Autorschaft und Medienwandel in den illustrierten Handschriften und Drucken von Heinrich Seuses ‚Exemplar’, in: Text und Kultur. Mittellaterliche Literatur 1150-1450, hg. V. Ursula Peters, Stuttgart/Weimar 2001, S. 150-181 (Germanistische Symposien-Berichtsbände, 23).
  • Stephanie Altrock/Hans-Joachim Ziegeler: Die Geburt des Autors im späten Mittelalter. Vom „diener der ewigen wisheit“ zum Autor Heinrich Seuse, in: Akten des X. Internationalen Germanistenkongresses Wien 2000, hg. v. Peter Wiesinger unter Mitarbeit v. Hans Derkits, Bern u. a. 2002, S. 323-332 (Jahrbuch für Internationale Grmanistik, Reihe A, Kongressberichte).
  • Stephanie Altrock: „got will, daz du nu riter siest“. Geistliche und weltliche Ritterschaft in Text und Bild der ‚Vita‘ Heinrich Seuses, in: Höfische Literatur und Klerikerkultur. Sonderheft der deutschen Sektion der International Courtly Literature Society, hg. v. Henrike Lähnemann u. Andrea Sieber, S. 107-122 (Encomia Sonderheft).
  • Stephanie Altrock/Gerald Kapfhammer: Hand-Bücher. Die Hand des Autors und sein Buch, in: Manus Loquens. Medium der Geste – Gesten der Medien, hg. v. Matthias Bickenbach, Annina Klappert u. Hedwig Pompe, Köln 2003, S. 66-101 (Mediologie, 7).
  • Stephanie Altrock/Gerald Kapfhammer: Herrscherruhm und Dichterwürde. Bilder der poetae laureati Maximilians I., in: Autorbilder. Zur Medialität literarischer Kommunikation in Mittelalter und Früher Neuzeit, hg. v. Gerald Kapfhammer, Wolf-Dietrich Löhr u. Barbara Nitsche, unter Mitarbeit v. Stephanie Altrock u. Susanne Mädger, Münster 2007, S. 227-250 (Tholos – Kunsthistorische Studien 2).
  • Gerald Kapfhammer: Inszenierung von Authentizität. Johannes Pauli und die Veröffentlichung der Predigten Geilers von Kaysersberg, in: Autorbilder. Zur Medialität literarischer Kommunikation in Mittelalter und Früher Neuzeit, hg. v. Gerald Kapfhammer, Wolf-Dietrich Löhr u. Barbara Nitsche, unter Mitarbeit v. Stephanie Altrock u. Susanne Mädger, Münster 2007, S. 251-266 (Tholos – Kunsthistorische Studien 2).
  • Stephanie Altrock/Gerald Kapfhammer: Hand-Bücher. Die Hand des Autors und sein Buch, in: Manus Loquens. Medium der Geste – Gesten der Medien, hg. v. Matthias Bickenbach, Annina Klappert u. Hedwig Pompe, Köln 2003, S. 66-101 (Mediologie, 7).

Informationen zum Forschungsprojekt (1999-2004)

  • Projekt A2 - Projekt A2 - Autorbilder: Figurationen mittelalterlicher/frühneuzeitlicher Autorschaft im medialen Vergleich
  • Projekt A2.2 - Das Autorbild in Drucken des 15. und 16. Jahrhunderts
  • Mitarbeiter: Prof. Dr. Hans-Joachim Ziegeler (Leitung), Stephanie Altrock (wiss. Mitarbeiterin), Gerald Kapfhammer (student. Hilfskraft)

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Zuletzt geändert am 03. Juli 2007 um 15:10 Uhr - Kontakt - Login zum Bearbeiten